Pharmainitiative Bayern: 10 Jahre beispielhafte Zusammenarbeit
1. Dezember 2023Bayerischer Pharmagipfel 2024: Für einen zukunfts- und wettbewerbsfähigen Pharmastandort
29. Juli 2024In einer Pressemitteilung vom 26.07.2024 weist die AG Orphan Drugs & ATMPs der Pharmainitiative Bayern, in der sich u.a. die Unternehmen Alexion, BeiGene, Biogen, Bristol Myers Squibb, Ipsen, Novartis, Roche und Servier engagieren, gemeinsam mit Staatsministerin Judith Gerlach auf die Notwendigkeit innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen hin, die es braucht, um Menschen mit seltenen Erkrankungen Zugang zu Therapieoptionen und Perspektiven zu geben:
In Deutschland leben schätzungsweise etwa vier Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Für ungefähr 95% der weltweit bekannten rund 7.000 seltenen Krankheiten gibt es jedoch noch keine zugelassene Therapie. Dabei sind innovative Therapien für die Betroffenen von großer Bedeutung: Sowohl eine frühzeitige Diagnose als auch der rasche Zugang zu Medikamenten sind entscheidend für die Lebensqualität der Patient*innen. Deshalb setzen sich die in Bayern ansässigen Pharmaunternehmen Alexion, BeiGene, Biogen, Bristol Myers Squibb, Ipsen, Novartis, Roche und Servier intensiv für die Entwicklung sogenannter Orphan Drugs ein. Der große ungedeckte medizinische Bedarf von Menschen mit seltenen Erkrankungen und die noch unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten motivieren diese Unternehmen, sich in diesem Bereich besonders zu engagieren.
Das Beispiel der Spinalen Muskelatrophie (SMA), einer seltenen fortschreitenden neuromuskulären Erkrankung macht deutlich, welche Erfolge durch die Forschung im Bereich der Orphan Drugs möglich sind: Bis es vor wenigen Jahren gelang, eine kausale Therapie zu entwickeln, war die SMA die häufigste genetisch bedingte Todesursache im Säuglingsalter. Heute stehen den Patient*innen bereits drei Therapieoptionen zur Verfügung.
Bahnbrechende Innovationen im Bereich der seltenen Erkrankungen sollten auch zukünftig möglich sein. Der Fortschritt in der pharmazeutischen Forschung bedarf daher innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen, um die hohen wirtschaftlichen Risiken bei gleichzeitig sehr kleinen Patientenpopulationen gut auszubalancieren. Seit Einführung der EU-Verordnung für Arzneimitteln für seltene Erkrankungen im Jahr 2000 wurden in Europa mehr als 230 Orphan Drugs [1] zugelassen. Das ist eine herausragende Erfolgsgeschichte, denn zuvor gab es nur sehr wenige Orphan Drugs auf dem Europäischen Markt. Die Anreize, die durch das Gesetz geschaffen wurden, haben erheblich positive Auswirkungen gehabt: Sie haben Tausenden Menschen in der EU zu mehr Wohlbefinden verholfen, ihre Rückkehr in die Arbeitswelt unterstützt und in manchen Fällen sogar ihr Überleben gesichert.
Dem Engagement entgegen stehen die Herausforderungen in der Nutzenbewertung im sogenannten AMNOG-Verfahren, welches den Zugang innovativer Arzneimittel in Deutschland regelt. Die gegenwärtige Orphan-Drug-Regelung, welche anerkennt, dass klassische Studien mit Vergleichsgruppen aufgrund der nur geringen Patient*innenzahl meist unmöglich sind, steht zur Disposition. Dabei handelt es sich hierbei um keine Sonderregelung, sondern eine wichtige Anerkennung des Zusatznutzens nach EU-Recht. Ein einheitlicher Bewertungsansatz, der die Besonderheiten von Orphan Drug nicht berücksichtigt, wird in der Konsequenz dazu führen, dass die entsprechenden Medikamente nicht auf den Markt gelangen und folglich den Patient*innen mit seltenen Erkrankungen nicht zur Verfügung stehen.
Die bayerische Staatsregierung und die pharmazeutische Industrie in Bayern sprechen sich in der Gemeinsamen Erklärung, welche am 29. Juli veröffentlicht wird, klar für eine Stärkung der forschungsfreundlichen Rahmenbedingungen für Orphan Drugs auf europäischer und nationaler Ebene aus. Dabei erteilen die Partner der Gemeinsamen Erklärung einer Verkürzung der Marktexklusivität für Orphan Drugs, wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, eine klare Absage. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach: „Wir brauchen einen soliden und zukunftssicheren Rahmen etwa in der Preisbildung für den wichtigen Bereich der Arzneimittelversorgung für seltene Erkrankungen, die sogenannten Orphan Drugs. Der Kommissionsvorschlag einer Verkürzung der Marktexklusivität für Orphan Drugs ist dagegen kontraproduktiv. Ich sehe hierbei die Europäische Kommission in der Pflicht, das Anreizsystem für Forschung und Entwicklung weiterzuentwickeln und somit den Pharmastandort Europa zu stärken.“ Die Gemeinsame Erklärung fordert zudem, alle mit dem GKV-FinStG eingeführten innovationsfeindlichen Regelungen bei Orphan Drugs wieder abzuschaffen: Die Umsatzgrenze, bis zu der der Zusatznutzen von Orphan Drugs als belegt gilt, sollte wieder auf 50 Mio. € heraufgesetzt und die „AMNOG-Leitplanken“ wieder abgeschafft werden.
Das Ziel sollte sein, eine Gesundheitspolitik zu gestalten, die Innovationen im Bereich der seltenen Krankheiten konsequent unterstützt und im Sinne der zahlreichen Betroffenen den schnellen Zugang zu Therapien fördert. Nur im Schulterschluss aller Beteiligten kann es gelingen, den eingeschlagenen Weg der schrittweisen Erforschung der noch zahlreichen unbehandelten seltenen Erkrankungen konsequent weiterzugehen um Betroffenen und Ihren Angehörigen, wie beispielsweise im Fall der SMA, eine Perspektive zu geben.
[1] https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/seltene-erkrankungen/die-orphan-drug-verordnung-ist-ein-erfolg (abgerufen am 15.07.2024)
Bildquelle: iStock-886813310, eigene Collage